Exkursion Stoos-Ibach

Schwyzer Holzbaukunst


Ein Ausflug zur Holzbaukunst im Raum Schwyz
 
Unsere Exkursion begann bei der Talstation der Stossbahnen. Bruno Lifart empfing uns als Delegierter des Verwaltungsrats der Stoosbahnen und erläuterte uns als Einstieg in den Tag die aktuellsten baulichen Tätigkeiten hier am Eingang des Muotatals und vor der Kulisse der momentan steilsten Standseilbahn der Welt.
 
In der fünf Minuten entfernten Alten Talstation referierte er über das Trinkwasserkraftwerk, das durch das Wasser im Stoos-Seeli gespiesen wird. Wo früher die alte Standseilbahn das Bergdorf erschloss, befinden sich nun auf dem Trasse die Druckleitung für das Kraftwerk. Eine Neunutzung, die den historischen Bestand der Infrastruktur erhält. Diese stammt einerseits noch aus der Anfangszeit von 1933 und grösstenteils aus den Instandsetzungsjahren von 1968 bis 1971 – so auch die Stahlbrücke direkt bei der Talstation.
 
Nach dem Referat und der Besichtigung wanderten wir in Richtung Ibach bzw. Oberschönenbuch - raus aus dem Kühlschrank kalten Tal, rein in die wärmende Sonne. Der Weg führte uns über die Suworow-Brücke. Diese Brücke erinnert an den russischen General Suworow, der im September 1799 mit einer Armee von 20 000 Mann und 1 000 Pferden von Oberitalien über den Gotthard- und Kienzigpass ins Muotatal einmarschierte. Es ist eine Holzkonstruktion aus dem Jahre 1810. Zwei Jahrhunderte hatte sie gehalten. Ende 2009 musste sie aber aufgrund unzureichender Tragsicherheit für Passanten gesperrt werden. im Rahmen der anschliessenden Instandsetzungsarbeiten wurde neben der Fassade und dem Dach auch das alte, stark in Mitleidenschaft gezogene Sprengwerk der historischen Holzbrücke ersetzt. Dazu kamen ein neuer Aussteifungsverband sowie Verstärkungen und Anpassungen an den Blocksteinfundamenten. Seit Frühling 2011 ist die Brücke für Wanderer, Radfahrer und auch für Fahrzeuge bis 6t freigegeben.
 
Noch älteren Datums war das Haus Oberschönenbuch Nummer 46. Es wurde 1317 oder kurz danach am angetroffenen Standort als zweigeschossiger Blockbau mit flach geneigtem Pfetten-Rafen-Dach über einem steinernen Kellersockel gegen Norden gerichtet erbaut. Pascal Marx, Bauberater bei der Denkmalpflege des Kantons Schwyz und Gründer der Ruumfabrigg Architekten liess uns wissen, dass der Bau mit 880 cm Breite und 1030 cm Länge eine rechteckige Grundfläche von 90.6 Quadratmeter hatte. Während die Eckverbindungen die für den Blockbau typischen Eckverkämmungen (Eckgewätt) bilden, sind bei den Binnenwänden zeittypisch lediglich der Schwell- und der Sturzbalken sowie ein Balken auf halber Höhe (falls ein Fenster vorhanden) als durchstossende Wandelemente (sogenannte Einzelvorstösse) gestaltet. Ebenso charakteristisch sind die 8 cm starken, Böden beziehungsweise Decken bildenden Bohlen, die ebenfalls die Fassaden durchstossen.
 
Vom Gründungsbau sind noch gut 56 % aller Holzoberflächen erhalten. Im Wesentlichen fehlen die Bohlen zwischen Kellergeschoss und erstem Wohngeschoss, die Binnenwand zwischen Haupt- und Nebenstube, die Bereiche der modernen Türen- und Fenstereinschnitte vor allem der Südfassade sowie der jeweils südliche Teil der West- und Ostfassade. Grundsätzlich ist die bauzeitliche Substanz vom Kellergeschoss bis hin zum Dachraum noch deutlich präsent und die Lektüre und Rekonstruktion des Ursprungbaus möglich. Das Haus stellt sich mit seiner Konstruktionsweise und der Grundrissdisposition in die Reihe des Innerschweizer Wohnbautypus.
 
Der Blockbau mit seiner stattlichen, querrechteckigen Form gehört zum prägenden, Identifikation stiftenden Erscheinungsbild der Innerschweizer Kulturlandschaft. Inzwischen konnten über 50 Vertreter dieser Gruppe aus der Frühzeit dokumentiert werden. Sie liefern mit ihrer Bauzeit um 1300 den materiellen Beweis für eine starke Bautätigkeit in der Zeit der überlieferten Gründung der Eidgenossenschaft. Zudem spielen sie auch in einer gesamteuropäischen Betrachtungsweise eine herausragende Rolle für das Verständnis mittelalterlichen Wohnens.
 
Neben der auffallenden Dichte dieser (erhaltenen) Bauten im Schwyzer Talkessel ist die exzellente Holz- und Verarbeitungsqualität zu betonen. Die Hölzer sind sehr langsam auf 600 bis 1000 m ü.N. gewachsen und wurden gekonnt zugerichtet. Die Dimensionen von Balken und Bohlen sind eindrücklich. Mit den Balken-Bohlen-Decken, zumal auf beiden Wohngeschossen, hebt sich der Bau auch hinsichtlich der Ausgestaltung deutlich ab.
 
Sozialtopografisch gibt der Bau Hinweise auf die Besiedlung des Hangs oberhalb des Orts Schwyz auf dem Weg nach Muotathal: Im beginnenden 14. Jahrhundert standen hier mindestens ein halbes Dutzend Blockbauten sowie ein Wohnturm. Eine Kapelle ist ebenfalls zu erwarten. Mit dem Haus Oberschönenbuch 46 ist ein Bau nachgewiesen, der mit seiner exzellenten Bauweise und Ausstattung vermutlich einen Besitzer der politischen Führungsschicht beherbergte.
 
Nach dieser Besichtigung ging es weiter in die Pension Betschart., wo wir uns hervorragend stärkten. Danach tauchten wir aus dem Mittelalter auf und kamen in der Gegenwart der Holzbaukunst an: Wir besuchten und besichtigten in Begleitung von Markus Peter, ordentlicher Professor für Entwurf und Konstruktion am Departement Architektur der ETH Zürich und Geschäftsinhaber der Meili Peter & Partner Architekten, sowie Oliver Bopp, Projektleiter bei Pirmin Jung Schweiz und ehemals Zimmermann, die Manufaktur Felchlin in Ibach.
 
Für den neuen Firmensitz der Schokoladenmanufaktur Max Felchlin entwickelten Meili, Peter & Partner Architekten und die Ingenieure von Pirmin Jung Schweiz einen fünfgeschossigen Hybridbau (vgl. Publikation in TEC21). Vor allem der sichtbare Holzbau im obersten Geschoss mit den drei Dachhauben besticht. Deren Tragsystem ist eine achssymmetrische Überlagerung von Fach- und Sprengwerken. Das Stabtragwerk ist statisch darauf ausgelegt, möglichst über Druck-, wenig über Biege- und kaum über Zugbeanspruchungen zu funktionieren. Oliver Bopp erläuterte, dass die Holz-Holz-Verbindungen Priorität hatten, denn sie wurden der Grundidee des reinen Holzstabtragwerks gerecht. Dabei nutzten die Ingenieure das Wissen aus dem traditionellen Zimmermannshandwerk, ergänzt um die heute mögliche höhere Präzision in der Planung, neuste Erkenntnisse in Materialtechnologie und Montage sowie modernste Hilfsmittel für Produktion.
 
Es war ein Tag, der in der Tat ein interessantes zeitliches Gegenüber bot. Vielen Dank den Referenten, die uns diesen interessanten Einblick ermöglichten.
 
6. November 2021
 
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