Exkursion Goetheanum

Exkursion Goetheanum


Goetheanum

Als markantes Bauwerk aus Sichtbeton steht das Goetheanum auf dem westlichen Ende des Dornacher Hügels, direkt an der Kantonsgrenze zum Kanton Basel-Landschaft auf solothurnischem Gebiet. Es gilt als Pionierleistung des Betonbaus aus dem Jahr 1928. Es steht seit 1993 unter Denkmalschutz. Zusammen mit anderen stilistisch ähnlichen Bauten in der näheren Umgebung auf dem Dornacher Hügel bildet es ein Ensemble, das zu den Kulturgütern von nationaler Bedeutung im Kanton Solothurn zählt. Wegweisend sind auch die über Jahrzehnte hinweg vollzogenen Instandsetzungen der Sichtbetonfassade. Die Instandsetzung von Sichtbetonfassaden ist ohnehin schon anspruchsvoll – umso mehr, wenn neben technischen auch denkmalpflegerische Aspekte zu berücksichtigen sind.
 
Zusammen mit dem Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Solothurn und mit Eugen Brühwiler hat das Planungsbüro Gruner die Gratwanderung zwischen den Anforderungen gemeistert.
 
Eugen Brühwiler erklärte uns während des Rundgangs die konzeptionellen Aspekte der Instandsetzungsarbeiten. Er ist Professor am Lehrstuhl für Erhaltung und Sicherheit von Bauwerken an der EPFL und Konsulent des Bundesamts für Kultur in Bern. Als ausgewiesener Experte beriet er Bauherrschaft und Planungsteam während diesen Instandsetzungsarbeiten.
 
Die ausführungsspezifisch relevanten Punkte erläuterte uns Roland Marty. Er ist Abteilungsleiter Bauwerkserhalt bei der Gruner AG und leitete die Instandsetzungsarbeiten hier vor Ort. Er ist langjähriger Mitarbeiter bei der Gruner AG und hat Projekte aus den Bereichen Umbau, Ersatzneubau, Erdbebenertüchtigungen und materialtechnologische Instandsetzungen betreut. Neubauten gehören ebenso zu seinem Resort wie Instandsetzungsarbeiten.
 
Die Leitung des Rundgangs hatte Martin Zweifel. Er ist seit 2007 Leiter der Goetheanum Bau-Administration und war somit Vertreter der Bauherrschaft der Instandsetzungsarbeiten. Er ist Architekt und ist schon ab 2001 im Baubüro am Goetheanum tätig. Über einen reichen Erfahrungs- und Wissensschatz verfügend, konnte er uns ausführlich und einnehmend über die Baugeschichte dieses Unikums erzählen.
 

Die Geschichte des Goetheanum

Das Goetheanum wurde von 1925 bis 1928 nach dem Entwurf Steiners gebaut und ersetzte das gleichnamige, aus Holz konstruierte Vorgängergebäude, das in der Neujahrsnacht am 1. Januar 1923 niedergebrannt war. Steiner liess den Bau in der neuartigen «Eisenbetonbauweise» errichten. Ihn überzeugten die Vorteile des Baustoffs bezüglich Feuersicherheit
und Kosten. Angetan war er insbesondere von seiner freien Formbarkeit, die er hier konsequent nutzte.
 
Die Massivität des Bauwerks täuscht. Vielmehr besteht es aus einer filigranen, ungedämmten Betonrippenkonstruktion. Trotz ihrer Filigranität ist die Tragkonstruktion, die zugleich Hülle ist, äusserst dauerhaft. Während der ersten 50 Jahre Nutzungsdauer kam die Sichtbetonfassade ohne Erhaltungsmassnahmen aus. Ab 1972 waren aber Instandsetzungsarbeiten notwendig. Alle blieben sie aber ästhetisch unzureichend – so auch jene im Jahr 2000. Erst mit den Hydrophobierungsversuchen in den Jahren 2000, 2005 und 2008 zeichnete sich eine geeignete Methode für den Schutz des Sichtbetons ab.
 
Die Stellen der neuesten lokalen Betoninstandsetzungen von 2014/2015 sind heute vor allem in der Südfassade zu erkennen. Die lokalen Betoninstandsetzungen seien ‹Narben› auf der originalen Bausubstanz, die durchaus diskret sicht- und erkennbar sein sollen, betont Eugen Brühwiler. Sie liessen die Baugeschichte und das Alter des Bauwerks ablesen.
 

Die Fenster des Goetheanums aus dem Glashaus

Für die Glasfenster des ersten Goetheanums wurden nach den Angaben Rudolf Steiners eine spezielle Form der Glaskunst entwickelt: Eine Form der Glasradierung, bei der in die einfarbigen Glasscheiben Motive einradiert wurden. Durch die so entstandene unterschiedliche Glasdicke kamen die Motive im einfallenden Sonnenlicht deutlich zur Geltung.

Diese farbigen Glasfenster wurden im Glashaus unmittelbar neben dem Goetheanum hergestellt. Es wurde 1914 als Nebengebäude errichtet und ist das älteste noch erhaltene Bauwerk, das nach dem unmittelbaren Entwurf Rudolf Steiners gestaltet wurde. Es ist ein reiner Holzbau. Die Aussenwände sind mit Holzschindeln verkleidet, die Kuppeln mit norwegischem Schiefer gedeckt. Es erinnert in seinem Charakter noch am meisten an das abgebrannte erste Goetheanum mit seinen zwei Kuppeln.

Nach der 2007 abgeschlossenen umfangreichen Instandsetzung wurde es, bei weiterhin bestehender Nutzungsfreiheit, vom Kantonalen Amt für Denkmalpflege und Archäologie (Solothurn) unter Denkmalschutz gestellt. Im Zuge des Umbaus wurden im Untergeschoss Forschungslabore eingerichtet, darüber Büros für wissenschaftliche Mitarbeiter, eine Werkstatt, die Bibliothek in der Ostkuppel und ein Seminarraum in der Westkuppel. Die Kuppeln wurden zu diesem Zweck an der Nordseite mit grossen dreiteiligen Fenstern versehen. Das ganze Gebäude wurde mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Wärme- und Schallisolierung ausgestattet und die Treppen und Flure den gegenwärtigen Sicherheitsvorschriften angepasst. Heute wird das Glashaus von der Naturwissenschaftliche Sektion und der Sektion für Landwirtschaften der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft genutzt.

 

29. Oktober 2016

 

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